Erforderliche Nachweise

Nicht selten sind Bauwerke in der Vergangenheit ohne die erforderliche Baugenehmigung ("formell illegal") errichtet worden. In diesen Fällen ist den jeweiligen Eigentümern dringend zu empfehlen, durch die Einholung einer Baugenehmigung nachträglich für rechtmäßige Zustände zu sorgen. Im Rahmen solcher nachträglicher Legalisierungen stellt sich die Frage, ob auch die Anforderungen der Energieeinsparverordnung (EnEV) einzuhalten sind, ggf. mit der Möglichkeit von Befreiungen gemäß § 17 EnEV.

Praxis
Ein Haus wurde in den 60er Jahren als Zwei-Familienhaus genehmigt und gebaut. In den 70er Jahren ist im Dachgeschoss ohne Genehmigung ein dritte Wohnung eingerichtet worden, wobei der Dachstuhl mit Zwischensparrendämmung gedämmt wurde. Der Eigentümer beabsichtigt nun, das Haus zu verkaufen und möchte deshalb für die dritte Wohnung (nachträglich) eine Baugenehmigung einholen.

Frage
1. Ist im Rahmen der nachträglichen Genehmigung des Vorhabens auf die Einhaltung der EnEV zu achten (hier: § 8 EnEV - Änderung von Gebäuden)?

2. Kommt eine Befreiung gemäß § 17 EnEV in Betracht?

Antwort
1. Nachdem der Ausbau des Dachgeschosses ohne Baugenehmigung - also formell illegal - erfolgt ist, muß vom Eigentümer nachträglich eine Genehmigung erwirkt werden.

a) Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens ist das gegenwärtig geltende Recht anzuwenden mit der Folge, dass bzgl. der Wärmedämmung grundsätzlich auf die Anforderungen der EnEV abzuheben ist. Dies hätte zur Konsequenz, dass ein Anspruch auf Genehmigungserteilung die Einhaltung der Anforderungen von § 8 EnEV (Änderung von Gebäuden) zur Voraussetzung hat.

b) Es stellt sich allerdings die Frage, ob der Bauherr nicht bereits im Hinblick auf die bestehende Genehmigung als Zwei-Familienhaus einen Anspruch auf nachträgliche Genehmigung des Dachgeschossausbaus hat, und zwar ohne Einhaltung der Anforderungen der EnEV.

    aa) In der Rechtsprechung des BVerwG ist dazu unter dem Gesichtspunkt des sog. überwirkenden Bestandschutzes ein Rechtsanspruch auf eine begrenzte Erweiterung des Bestehenden anerkannt, soweit die Beibehaltung und funktionsgerechte Benutzung des Vorhabens dies erfordert (vgl. etwa BVerwG, NJW 1974, 384). Die begrenzte Erweiterung etwa eines Wohnhauses um eine Garage ist deshalb zulässig, wenn sie öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht über das hinaus verletzt, was die Einhaltung des Bestandes und seine weitere zeitgemäße Nutzung mit sich bringen (vgl. BVerwG, NJW 1986, 2126).

    "Überwirkender baurechtlicher Bestandsschutz" hat aber u.a. zur Voraussetzung, dass die in Aussicht genommene Änderung nur zu einer untergeordneten Erweiterung führt ("quantitative Schranke") und außerdem nicht mit einer wesentlichen Veränderung verbunden sein darf ("qualitative Schranke").

    Der Ausbau des Dachgeschosses ist aus Sicht des Experten eine wesentliche Erweiterung bzw. Änderung des bestehenden Zustandes in dem eben dargestellten Sinne, so dass kein sog. überwirkender Bestandsschutz greift. Der vorliegende Fall wurde allerdings - soweit ersichtlich - bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden.

    bb) Nachdem ein "überwirkender baurechtlicher Bestandsschutz" nicht eingreifen dürfte, bleibt es bei dem sog. einfachen baurechtlichen Bestandsschutz, der auf die bereits in den 60er Jahren erteilte Baugenehmigung zurückgeht. Insoweit ist aber anerkannt, dass dieser Bestandsschutz keinen Rechtsanspruch auf Genehmigung eines ursprünglich möglicherweise rechtmäßig geschaffenen, inzwischen aber rechtswidrig gewordenen Bestandes (wegen der Nichteinhaltung der entsprechenden Vorgaben der EnEV) verschafft.

    Die Baugenehmigungsbehörde kann deshalb grundsätzlich die Einhaltung der Anforderungen gemäß § 8 EnEV verlangen.



2. Möglichkeit von Befreiungen gem. § 17 EnEV

Gem. § 17 EnEV "können die nach Landesrecht zuständigen Behörden" von den Anforderungen der EnEV für den Fall Befreiungen vorsehen, dass die strikte Einhaltung der EnEV "wegen besonderer Umstände durch einen unangemessenen Aufwand oder in sonstiger Weise zu einer unbilligen Härte führen" würde. Eine "unbillige Härte" soll gem. § 17 S.2 EnEV insbesondere dann vorliegen, wenn die erforderlichen Aufwendungen innerhalb der üblichen Nutzungsdauer nicht erwirtschaftet werden können.

    "EnEV § 17 - Befreiungen

    Die nach Landesrecht zuständigen Behörden können auf Antrag von den Anforderungen dieser Verordnung befreien, soweit die Anforderungen im Einzelfall wegen besonderer Umstände durch einen unangemessenen Aufwand oder in sonstiger Weise zu einer unbilligen Härte führen. Eine unbillige Härte liegt insbesondere vor, wenn die erforderlichen Aufwendungen innerhalb der üblichen Nutzungsdauer, bei Anforderungen an bestehende Gebäude innerhalb angemessener Frist durch die eintretenden Einsparungen nicht erwirtschaftet werden können."


Die Befreiung steht im Ermessen der Behörde ("können"). Ein Anspruch des Eigentümers auf Befreiung würde deshalb eine sog. Ermessensreduzierung auf Null erfordern. Von einer solchen Ermessensreduzierung kann aus der Sicht des Experten unter keinen Umständen ausgegangen werden. Dabei ist zunächst der baurechtliche Grundsatz "wer <> baut, baut auf eigenes Risiko" im Auge zu behalten. Darüber hinaus wird der erzielbare Verkaufspreis bei Einhaltung der Anforderungen der EnEV voraussichtlich nicht unerheblich steigen, so dass die erforderlichen Aufwendungen zumindest teilweise erwirtschaftet werden können.

Es bleibt deshalb bei einem "Befreiungsermessen" der Behörde, so dass dem Eigentümer zu empfehlen ist, bei der Behörde vorzusprechen, um auf dem Verhandlungswege zu einer für ihn möglichst kostengünstigen Lösung zu gelangen.

Autor der Antwort
Dr. jur. Christoph Ulmschneider
Partner in der Kanzlei Dr. Ulmschneider & Kollegen, Rechtsanwälte,
Stuttgart
www.RAeUlmschneider.de

Links
www.gre-kongress.de
5. GRE-Kongress: Energieeffizienz im Gebäudebestand, 13.-14.02.2003



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