Für die Energieberatung ist Hilfe in Sicht: Deutschlandkarte für Altbaumaterialien und -konstruktionen

Pressemitteilung vom 2009-08-14priority

Energetische Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen müssen im Bestand mit besonderer Sorgfalt geplant und ausgeführt werden, um negative bauphysikalische Auswirkungen und Bauschäden zu vermeiden. Für eine effiziente und damit wirtschaftliche Planung und Beratung fehlt derzeit eine Hilfestellung, die bei der schnellen sowie zerstörungsfreien Zuordnung der anzutreffenden Konstruktionen und Materialien Anwendung finden kann. Ebenso gibt es keine zusammenhängenden Erkenntnisse über die Verbreitung oder Verteilung der Altbaumaterialien. Existierende Arbeitsunterlagen wie Typologien auf regionaler Ebene beantworten die anstehenden Fragen nicht in ausreichendem Maß.

Diese Problemstellungen waren die Leitfragen eines Forschungsprojekts des Zentrums für Umweltbewusstes Bauen e.V. (ZUB) in Kassel, dessen Durchführung mit Mitteln des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) gefördert wurde (AZ - 10.07.03-06.13 / II 2 – 80 01 06-13). Als Ergebnis der zweijährigen Arbeit „Erfassung regionaltypischer Materialien im Gebäudebestand mit Bezug auf die Baualtersklasse und Ableitung typischer Bauteilaufbauten“ wird jetzt die „Deutschlandkarte für Altbaumaterialien und -konstruktionen (DEMAKOalt)“ vorgestellt. Ein mögliches Folgeprojekt könnte dazu dienen, die Untersuchungsdichte zu erhöhen, bisher unbearbeitete Regionen einzubeziehen und über eine Digitalisierung der Inhalte die Anwendbarkeit und die Verfügbarkeit zu verbessern.

So funktioniert die DEMAKOalt
In Form eines an den Postleitzahlen orientierten Kataloges werden den verschiedenen Regionen Deutschlands typische Baumaterialien und Konstruktionsarten zugeordnet und jeweils chronologisch in Baualtersklassen aufgelistet. Künftig sind damit nur zwei Angaben für die energetische Klassifizierung der Bauteile eines Bestandsgebäudes notwendig: Die Lage des Gebäudes und damit die Postleitzahl und das Baualter. Als potentielle Nutzergruppen kommen vor allem Energieberater in Frage, aber auch Planer und politische Sachverständige, die an neuen Verordnungen oder Normen arbeiten. Eine derart regional- und baualtersabhängig strukturierte Karte hilft den Verantwortlichen bei der Erreichung der notwendigen Planungssicherheit, da sie von einer fundierten Basis ausgehend arbeiten können. Somit können Einsparpotenziale optimal ausgenutzt sowie Bauschäden durch unzureichende bauphysikalische Ansätze vermieden werden. Bei der Energieausweiserstellung und der grundlegenden Normungsarbeit profitieren die Akteure ebenfalls von dieser Form der Datenkartierung.
Die DEMAKOalt verfolgt den Weg „von unten nach oben“, was bedeutet, dass über die Kenntnis der Materialien und Bauteilaufbauten der reale U-Wert rechnerisch bestimmt wird. Auf diese Weise ergeben sich konkrete und stimmige Angaben, die für die weitere Verwendung bei der Planung und Realisierung energetischer wie auch bauphysikalischer Sanierungsmaßnahmen zielführend sind.
Die vorliegenden Ergebnisse der Forschungsarbeit entbinden die Akteure jedoch nicht von der selbstverantwortlichen und abschließenden Festlegung der Konstruktion inklusive der Materialien und Schichtdicken. Die DEMAKOalt dient als Hilfestellung sowie fundierter Ansatz und ist nicht als Ersatz für eine angemessene Recherche zu verstehen. Sind konkretere Informationen zu den Konstruktionen des Gebäudes aus Planungsunterlagen oder einer Objektbegehung vorhanden, ist die Deutschlandkarte für Altbaumaterialien und -konstruktionen als nachrangiges Instrument anzusehen. Sie vermittelt einen Überblick zur Bandbreite möglicher Materialien einer Region und der entsprechenden bauhistorischen Epoche.
 
Hintergründe des Forschungsprojektes
Grundlage der Gliederung der Deutschlandkarte bildet die deutsche Gebäudetypologie des Instituts für Wohnen und Umwelt GmbH in Darmstadt, in der sehr ähnliche epochale Unterteilungen Anwendung finden.
Jede Epoche der Baugeschichte prägt die während des jeweiligen Zeitabschnitts errichteten Gebäude mit charakteristischen Merkmalen, die dann als typisch für das Baualter gelten. Die Baualtersklassen sind zudem von historischen Einschnitten, wie beispielsweise dem Zweiten Weltkrieg oder der Ölkrise in den 1970er Jahren, den Zeitpunkten statistischer Erhebungen und den Veränderungen wärmetechnisch relevanter Bauvorschriften, Richtlinien und Normen geprägt.
Die Beschreibung und Zusammenstellung der Materialien und Konstruktionen bezieht sich auf Gebäude, die bis Ende der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts errichtet wurden. Damit wird der Bereich an Gebäuden abgedeckt, der das größte energetische Einsparpotential umfasst.
Die Aufgabenstellung wurde von Swen Klauß (ZUB Kassel) entwickelt und projektiert und konnte mit öffentlichen Fördermitteln umgesetzt werden. Der Nutzen – die Vereinfachung von Energieberatungen und die Erhöhung der Planungssicherheit – wird über die Veröffentlichung der Allgemeinheit zugänglich gemacht. Erste Überlegungen beinhalten eine mögliche Wiki-Datenbank für die Zukunft. Für deren Umsetzung wäre allerdings eine weitere öffentliche Förderung notwendig.
 
Die drei Stufen der DEMAKOalt
1. Erfassung einer Datenbasis in Anlehnung an bereits bestehende Typologien
Dabei reicht die Unterteilung von einzelnen Städten bis hin zu Bundesländern.Die darin vorgefundene regionale Zuordnung wird in das entsprechende Postleitzahl-Gebiet transferiert (z.B.: Typologie Schleswig-Holstein > PLZ-Gebiete 22-25). Die in den Typologien genannten Bauteilstärken werden übernommen, bzw. bei allgemein verbreiteten, wiederkehrenden Schichten, wie z.B. Putz mit einer Standardstärke angenommen. Inhomogene Bestandteile der Konstruktionen (einbindende Steinschichten, Gefachanteile usw.) werden, sofern nicht anders in der jeweiligen Typologie vermerkt, abgeschätzt oder mit weiterführenden, recherchierten Quellenangaben abgeglichen.
 
2. Ermittlung näherer Angaben
Die entsprechenden Wärmeleitfähigkeiten und Rohdichten der Materialien werden in erster Instanz aus historischen DIN-Normen für den jeweiligen Stoff ergänzt, sofern dieses Material normativ erfasst ist. Dabei werden jeweils die Normen verwendet, die zeitlich am wenigsten stark von der betrachteten Baualtersklasse abweichen.
In zweiter Instanz werden detaillierte Herstellerangaben bzw. Informationen aus alten Beschreibungen, Literatur und anderen fundierten Quellen herangezogen bzw. ersetzen quellenmäßig nicht belegte oder nicht nachvollziehbare Daten aus den zugrundeliegenden Typologien. Außerdem findet auf diesem Weg eine Feingliederung statt.
Sollten keine fundierten Materialkennwerte verfügbar sein, wird auf die Angabe verzichtet. Die Berechnung und Darstellung des Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Wert) ist in diesen Fällen natürlich ebenfalls nicht möglich. Damit werden vage Ansätze vermieden und die ausstehenden Werte können bei der Weiterentwicklung der DEMAKOalt gezielt ergänzt werden.
 
3. Erfassung der Konstruktion
Sie erfolgt zur nachvollziehbaren Darstellung der U-Wert-Berechnung in Form einer Tabelle, die alle für die Ermittlung des U-Wertes relevanten Angaben in detaillierter Form enthält. Der U-Wert wird mittels der entsprechenden Teilfunktionalität der Software Epass-Helena® berechnet und im Datenblatt dokumentiert. Ebenso werden in diesem Schritt Zusatzinformationen erfasst. Bei den erwähnten Zusatzinformationen handelt es sich konkret um:
-    die direkte visuelle Zuordnung des Bauteils durch die Verwendung von Piktogrammen,
-    die Erfassung und Darstellung von flankierenden Zusatzinformationen, die das Verständnis fördern und die Zuordnung der Konstruktionen erleichtern,
-    die Ableitung einer groben Abschätzung zur Verbreitung des jeweiligen Konstruktionsaufbaus (Gewichtungsskala),
-    die Festlegung und Umsetzung einer Struktur zur prägnanten und gleichzeitig verständlich erläuternden Kurzform der Bauteilbeschreibung,
-    die Erarbeitung einer schematischen Darstellung zu den jeweiligen Konstruktionen und Zuordnung von Bildern und Fotografien zur Veranschaulichung sowie
-    die transparente Zuordnung der in Bezug genommenen Quellen.
Die grundlegende Strukturierung erfolgt anhand der aktuell verfügbaren Regionaltypologien. Der dem Verfasser aus frei zugänglichen Quellen zur Verfügung stehende Teil an Typologien findet im Rahmen der Untersuchung Berücksichtigung. Dabei reichen die Angaben aus den Typologien von sehr pauschalen Aussagen bis hin zu differenzierten Bauteilangaben mit dazugehörigen Skizzen. Ein Anspruch auf Vollständigkeit kann daher nicht erhoben werden.
Konkret lässt sich die Anwendung des Katalogs am Objekt wie folgt zusammenfassen. Über den Standort des Gebäudes und das damit verbundene PLZ-Gebiet lassen sich die zur Verfügung stehenden Konstruktionen eingrenzen. Danach findet eine genauere Zuordnung über das Baualter des Gebäudes statt. Parallel wird die Einbausituation des gesuchten Bauteils definiert (Wand, Decke usw.). Als letztes Merkmal wird nun die Konstruktionsart bestimmt (massiv, Holzkonstruktion, usw.). Anhand des ausgewählten Datenblattes können nun der U-Wert übernommen, bzw. Angaben einzelner Baustoffe für eigene Berechnungen verwendet werden.
 
Die DEMAKOalt im Detail
Mit den Ergebnissen der Forschungsarbeit ist die inhaltliche Grundlage für eine umfassende Abbildung des deutschen Wohngebäudebestandes verfügbar. Gleichzeitig wird die prinzipielle Vorgehensweise aufgezeigt, um die Datenbasis auszubauen und so eine flächenmäßige Abdeckung des gesamten Bundesgebietes mit gleicher Qualität der Informationen zu erreichen. Durch eine solche Erweiterung, besteht die Möglichkeit, eine sehr differenzierte Rasterung einzelner Regionen und der dort verwendeten Baustoffe darzustellen.
Im Ergebnis existiert eine strukturierte Sammlung von 182 Datensätzen mit Bezug auf die Region und die Baualtersklasse. Während für den Bezug auf das Baualter, die gängige und allgemein anerkannte Klassifizierung nach der deutschen Gebäudetypologie herangezogen wird, ist der Regionalbezug mittels des deutschen Postleitzahlensystems abgebildet. Jedes dieser Altbaudatenblätter (RegBa-ADB) enthält konkrete Angaben zur Art des Bauteils, der Konstruktion, der verwendeten Materialien sowie des sich daraus ergebenden U-Wertes. Eine schematische sowie eine bildhafte Darstellung des Bauteils gehören ebenfalls zum Standardinhalt eines RegBa-ADB wie eine Abschätzung der Verbreitung der Konstruktion in Form einer Gewichtungsskala. Sind zusätzliche Informationen oder Hinweise für die Zuordnung und Einschätzung der Relevanz einer Konstruktion und des Materials notwendig, schließen diese das jeweilige Altbaudatenblatt ab.

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