Luftdichtheitsmessung im bewohnten Mehrfamilienhaus - wohnungsweise Messung?!

News-Artikel vom 2012-06-10priority

Nach größeren Sanierungsmaßnahmen stellt sich häufig die Aufgabe, mit vertretbarem Aufwand die Luftdichtheit eines bewohnten Mehrfamilienhauses zu ermitteln. Anders als bei leer stehenden Häusern ist es äußerst schwierig oder gar unmöglich, zum Messtermin Zugang zu sämtlichen Wohnungen zu erhalten und so das gesamte Gebäude messtechnisch zu erfassen. Doch welche anderen Wege gibt es? Und werden diese von öffentlichen Stellen, die beispielsweise Fördergelder vergeben, anerkannt? Der Fachverband Luftdichtheit im Bauwesen (FLiB e. V.) stellt eine Möglichkeit vor: wohnungsweise Messung mit volumengewichteter Mittelwertbildung der Luftwechselrate.

Zwar ist dieser Ansatz zurzeit noch keine offizielle Lösung, doch kann der FLiB diesen in der Branche schon länger diskutierten Ansatz empfehlen. In seinen Grundzügen hat sich dieser in Gesprächen unter anderem mit der KfW-Bank als prinzipiell konsensfähig erwiesen. Demnach dürfen im bewohnten Mehrfamilienhaus auch einzelne Wohnungen gemessen werden, sofern der Luftdichtheitstest des Gebäudes insgesamt nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich wäre. Jeder der Tests folgt den Vorgaben der Mess-Norm DIN EN 13829. Es müssen stets mindestens 20 Prozent der Wohnungen gemessen werden, insgesamt jedoch nicht mehr als zwölf Nutzungseinheiten. Dabei muss mindestens jeweils eine der geprüften Wohnungen im obersten bzw. Dachgeschoss, eine in einem Regelgeschoss und eine im untersten Geschoss liegen. Für kleinere Gebäude bedeutet dies, dass regelmäßig mehr als die vorgegebenen 20 Prozent der Wohneinheiten messtechnisch erfasst werden. Bei der anschließenden Auswertung fließen die Messergebnisse aller untersuchten Wohnungen ein. Der dabei gebildete volumengewichtete Mittelwert der Luftwechselrate bei 50 Pascal muss den für das Gebäude geltenden EnEV-Grenzwert einhalten. Im Zusammenhang mit der Beurteilung des Gesamtgebäudes darf diese EnEV-Vorgabe zur Luftdichtheit bei einzelnen Wohnungen um bis zu 30 Prozent überschritten werden.

Die auf solche Art ermittelte Luftdichtheit entspricht zwar nicht dem Gesamtergebnis des Gebäudes, da nur ein Teil desselben auf Leckagen überprüft wurde. Doch trotz verbleibender Unwägbarkeiten schätzt FLiB-Geschäftsführer Dipl.-Ing. Oliver Solcher das Verfahren als relativ sicher ein. Der Grund: Beim Messen einzelner Wohnungen erfasst man interne Luftströme über Leckagen zu benachbarten Wohneinheiten nahezu zwangsläufig mit. Werden die Grenzwerte dennoch eingehalten, deutet dies auf eine die EnEV-Anforderungen tendenziell sogar übertreffende Luftdichtheit der Gebäudehülle insgesamt hin.

Einzelfallentscheidung der KfW

„Wer das Nachweisverfahren einsetzen will, um beispielsweise an günstige Förderkredite zu kommen, sollte sich im Vorfeld auf jeden Fall mit der zuständigen Stelle absprechen“, betont man beim FLiB. Die KfW-Bank etwa behalte sich vor, im Einzelfall darüber zu entscheiden, ob sie ein wohnungsweises Vorgehen anerkennt oder nicht. Mit der beschriebenen Methode aber stünden die Chancen auf einen positiven Bescheid erfahrungsgemäß gut. Vorzuziehen bleibt dennoch, wo immer möglich, die messtechnische Überprüfung des gesamten Gebäudes.

Wohnungsweise Messung

Abb. 1 - Wohnungsweise Messung als Alternative zur Gesamtmessung | Quelle FLiB e.V.
Kann nach einer Sanierung in einem bewohnten Mehrfamilienhaus dessen Luftdichtheit nicht mit einer Gesamtmessung ermittelt werden, ist alternativ eine wohnungsweise Messung möglich. Dafür überprüft man mindestens jeweils eine Wohneinheit im Dach- bzw. Ober-, Mittel- und Untergeschoss, auf jeden Fall aber 20 Prozent aller Wohnungen. Mehr als zwölf Wohneinheiten braucht man nicht zu messen. Der sich aus den Messergebnissen aller überprüften Wohnungen ergebende volumengewichtete Mittelwert der Luftwechselrate bei 50 Pascal muss die für das Gebäude geltenden Vorgaben der Energie-Einsparverordnung einhalten.
Beispiel: Die Summe der Innenvolumina von Wohnung A im Dachgeschoss , Wohnung B im ersten Stock sowie der Erdgeschosswohnung C beträgt 534 Kubikmeter, die Summe der in den drei Wohnungen ermittelten Volumenströme ergibt einen Luftaustausch von 790 Kubikmetern pro Stunde. Setzt man beide Werte ins Verhältnis, ergibt sich eine Luftwechselrate von 1,5 je Stunde. Damit wird die für Gebäude mit Lüftungsanlagen verbindliche EnEV-Vorgabe eingehalten.

Der Fachverband Luftdichtheit im Bauwesen e.V. (FLiB)

Der Fachverband Luftdichtheit im Bauwesen e.V. (FLiB) zählt mehr als 260 Mitglieder (Stand: April 2010) aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie vereinzelt weiteren europäischen Ländern. Am stärksten vertreten sind Ingenieurbüros, die Luftdichtheitsmessungen durchführen. Weiterhin sind Wissenschaftler, Anbieter von Mess-Systemen, Händler und Hersteller von Produkten zur Gebäudeabdichtung sowie andere Verbände mit ähnlich gelagerten Interessen im FLiB organisiert.

Die breit gefächerte Kompetenz der Mitglieder fließt in zurzeit vier Arbeitsgruppen und Ausschüsse ein. Sichtbares Ergebnis ihrer Arbeit sind beispielsweise das 2002 veröffentlichte FLiB-Beiblatt zur Messnorm DIN EN 13829, eine 2005 vorgelegte Checkliste für Abnahmemessungen nach EnEV sowie die Broschüre "Technische Empfehlungen und Ergänzungen zur DIN 4108-7".


Quelle und Bildnachweis: Fachverband Luftdichtheit im Bauwesen e. V. (FLiB) http://www.flib.de