Thermografie erleichtert Sanierungsplanung - VATh Richtlinie

News-Artikel vom 2010-09-27priority

Energiesparen gewinnt auf dem Altbausektor an Bedeutung. Wer seine Immobilie energetisch sanieren möchte, der braucht zunächst eine vernünftige Bestandsaufnahme, rät der Verband Privater Bauherren (VPB). Ein hilfreiches Verfahren ist dabei die so genannte Thermografie. Dazu hat der Bundesverband für Angewandte Thermografie e.V. (VATh) eine Richtlinie für die Durchführung der Thermografie an und in Gebäuden sowie an Bauteilen entwickelt. Die Richtlinie definiert Anforderungen an das Thermografiegerät, die Qualifikation des Personals, die Durchführung der Messung als auch an das Untersuchungsprotokoll.


Ermittlung von Oberflächentemperaturen - Problem sichtbar machen


Mit der Wärmebildkamera wird ein Gebäude von außen oder innen aufgenommen. Die Kamera erkennt dabei unterschiedliche Oberflächentemperaturen und setzt sie farblich um: die warmen und heißen Zonen in Gelb- und Rottöne, die kühlen in blaue Töne. Mit Hilfe der Messung können beispielsweise Wärmebrücken,festgestellt und energetisch beurteilt werden. Dies ist sowohl bei älteren Gebäuden, z.B. zum Zweck der Bestandsaufnahme oder als Grundlage für Sanierungsplanung, als auch bei Neubauten zur Überprüfung von durchgeführten Arbeiten möglich. Da in der Baupraxis, im Gegensatz zu Labormessungen, in der Regel nicht unter stationären Bedingungen, höchstens unter quasistationären Bedingungen, gearbeitet werden kann und die genauen Werte der Wärmeübergangsswiderstände nicht bekannt sind, kann in der Regel der Wärmedurchgangskoeffizient (u- Wert) nicht direkt bestimmt werden.

Voraussetzung für die Gebäude-Thermografie sind Temperaturdifferenzen. Ideale Zeit für thermografische Aufnahmen ist der Winter, dann wird das Gebäude von innen beheizt und alle Energielecks zeichnen sich als rote Flecken in der Thermografieaufnahme ab. Aber auch im Frühjahr und Herbst, ja sogar im Sommer sind hochwertige Aufnahmen möglich, es kommt dabei auf die Fachkenntnisse des Thermografen an.


Wärmebrücken


Dank der Thermografie lassen sich unter anderem Wärmebrücken an Balkonen, Heizungsnischen und Rollladenkästen lokalisieren. Feuchte Wände können sich ebenfalls als kühle Punkte auf dem Thermogramm abzeichnen. Gut eignet sich das Verfahren auch zur Beurteilung von verputztem Fachwerk oder zum Aufspü-ren von Fehlstellen in Dämmungen. Die Thermografie macht das Problem sichtbar und ist der erste Schritt zur Sanierung, denn Wärmebrücken müssen in jedem Fall beseitigt werden. Sie kosten Energie, und an den kalten Bauteilen schlägt sich erfahrungsgemäß schnell Feuchtigkeit nieder. Bleibt sie unbemerkt, bildet sich dort gefährlicher Schimmel - Auslöser für Asthma, Allergien und zahlreiche entzündliche Erkrankungen des Organsystems.


Feuchteschäden


Die Thermografie unterstützt Bausachverständige auch bei der Suche nach Feuchteschäden. Verliert die Fußbodenheizung Wasser, dann hilft die Wärmebildkamera beim Aufspüren des Lecks. Sie bildet die Heizschlangen in Boden oder Wand deutlich ab und verrät die undichte Stelle durch einen warmen Spot. So kann das teure Aufstemmen von Wand oder Boden auf den eigentlichen Schadensbereich beschränkt werden.


Anerkanntes Prüf- und Messverfahren


Die Thermografie ist ein gerichtlich anerkanntes Prüf- und Messverfahren. Sachverständige nutzen es auch gerne in Verbindung mit Blower-Door-Tests. Im Wärmebild zeichnen sich die Undichtigkeiten der luftdicht konzipierten Gebäudehülle besonders gut ab, durch die warme Luft nach außen entweicht und Heizenergie verschwendet wird. In der Kombination der Verfahren können Mängel festgestellt und auch gleich exakt lokalisiert werden.

Aufwand und Preis für eine thermografische Untersuchung sind von verschiedenen Faktoren abhängig. Zur qualifizierten Analyse gehören die sachverständige Auswertung des Bilddatenmaterials und der Thermografiebericht des erfahrenen Thermografen. Beides, so rät der VPB, sollte grundsätzlich im Leistungsumfang enthalten sein. Außerdem sollte sich der Bauherr in jedem Fall vorab ein detailliertes Angebot von einem renommierten Thermografie-Büro erstellen lassen.


VATh Richtlinie Bauthermografie


Anforderung an das Bedienpersonal

Die VATh Richtlinie Bauthermografie verlangt vom Bedienungspersonal fundierte Kenntnisse und ausreichende Erfahrung auf den Gebieten der Thermodynamik, des Bauwesens, der Gebäudetechnik und der Messtechnik verfügen. Entsprechend den Richtlinien für Personal der zerstörungsfreien Prüfung dürfen Personen die Messungen und Auswertungen nur ohne Aufsicht durchführen, wenn sie nach DIN 54162 / DIN EN 473, Stufe 2 oder Stufe 3 zertifiziert sind.

Thermografiegeräte

Seit einiger Zeit gibt es auf dem Markt relativ kostengünstige Infrarot- Kameras, welche für untergeordnete Messaufgaben geeignet sind. Selbst im Baubereich müssen, entsprechend der Aufgabenstellung und der Platzverhältnisse, verschiedene Brennweiten Verwendung finden. Billige Infrarot - Kameras haben oft nur unzureichende oder keine Möglichkeiten, verschiedene Optiken und gar Filter benutzen zu können. Eine oft sehr geringe Anzahl von messenden Bildpunkten und geringe Bildwiederholfrequenzen charakterisieren weiterhin die einfachen Infrarot- Kameras. Die Kombination von unqualifiziertem Personal, gepart mit billiger Infrarot- Technik, kann fatale Folgen haben. Bunte Bilder erhält der Auftraggeben in jedem Fall, ob die Aufgabenstellung damit jedoch erfolgreich abgeschlossen wird, bleibt mehr als fraglich.

Thermografische Untersuchung

  • Außen- und Innenthermografie
Eine Außenthermografie kann in der Regel nur zur orientierenden Messung herangezogen werden. Um aussagekräftige Messungen durchführen zu können, muss auch eine Messung aus dem Innenbereich erfolgen. Viele thermische Schwachstellen werden überhaupt erst aus dem Innenbereich sichtbar (z.B. Dachbereich). Es ist daher dringend anzuraten auch Messungen im Innenbereich durchzuführen. Fachwerkthermografie wird in der Regel von außen durchgeführt. Bei Gebäuden mit hinterlüftetem Vormauerwerk bzw. mit vorgehängten Fassaden oder im Dachbereich ist nur Innenthermografie möglich.
 
  • Randbedingungen
Voraussetzung ist eine Temperaturdifferenz zwischen innen und außen von mindestens 15 K über einen Zeitraum von mindestens 12 Stunden (bei 20°C Innentemperatur +5°C Außentemperatur oder kälter). Die Änderung dieser Differenz soll während dieses Zeitraums geringer als 30 % der Differenz sein.
Bei Außenthermografie und zu erwartender Sonneneinstarhlung muss die Messung vor Sonnenaufgang durchgeführt werden.
Die Temperatur im Gebäude soll möglichst gleichmäßig sein, was z.B. durch geöffnete Türen erzielt werden kann.
Eine Ausnahme stellt die Fachwerkthermografie dar, die in der Regel im Sommerhalbjahr durchgeführt wird, weil dabei der unterschiedliche Aufheiz- bzw. Abkühlvorgang bei den Materialien ausgenutzt wird. Die Windgeschwindigkeit muss unter 1 m/s betragen.
Bei Überprüfung mit Luftleckagen soll die Möglichkeit der Erzeugung von Unterdruck bestehen, z.B. durch eine BlowerDoor- Anlage oder im Notfall auch durch eine Dunstabzugshaube (ohne Bewertung des Unterdruckes).
Die Gebäudehülle darf nicht von Niederschlag befeuchtet sein.
 
  • Vorbereitungen
In der Regel geht eine Ortsbesichtigung der thermografischen Untersuchung voraus. Weiterhin ist eine Einsichtnahme bzw. eine Überprüfung von Plänen, Baubeschreibungen usw. notwendig. Zur Vorbereitung der Bauthermografie eines Gebäudes ist es notwendig, das Gebäude 12 bis 24 Stunden zuvor, abhängig davon, ob leichte oder schwere Bauweise vorliegt, ausreichend zu beheizen (Ausnahme Fachwerkthermografie in der warmen Jahreszeit), um einen möglichst quasistationären Zustand des Wärmeflusses zu erzielen. Gegebenenfalls sind Möbel oder andere Gegenstände von den Wänden abzurücken.
 
 
  • Durchführung
Es ist zu prüfen, ob die erforderlichen Randbedingungen eingehalten wurden bzw. werden.
Bei der eigentlichen Untersuchung sind die für die Fragestellung optimalen Parameter der Infrarot- Kamera, wie Messbereich, Kontrast u.a. einzustellen und von den interessierenden Objektteilen vollständig oder teilweise Thermogramme anzufertigen und zu speichern.
Die eingestellten Parameter sind zu registrieren bzw. zu speichern. Zur besseren Übersicht sind ebenfalls Sichtbilder von den zu messenden Bereichen anzufertigen. Bei Infrarotaufnahmen aus dem Innenbereich sollte ein Weitwinkelobjektiv verwendet werden. Somit werden größere Wandbereiche erfasst und die Übersichtlichkeit ist mehr gegeben. Auch im Außenbereich sind Weitwinkelobjektive von Vorteil, da die Platzverhältnisse für Normalobjektive oft nicht gegeben sind.
 
  • Zusatzmessungen
Neben den eigentlichen thermografischen Messungen sind zusätzliche Größen zu messen, wie Außen- und Innentemperaturen, gegebenenfalls Oberflächentemperaturen, Windgeschwindigkeit, Luftdruck bzw. Druckdifferenzen. Unter Umständen ist der Einsatz weiterer Mess- und Untersuchungsmethoden sinnvoll, wie z.B. der Einsatz der BlowerDoor bei Überprüfung der Luftdichtheit.
 
  • Normalfotos
In der Regel sollen zum besseren Vergleich Sichtfotos oder Videoaufnahmen zur späteren Verwendung angefertigt werden. Bei Messungen in der Nacht und Außenaufnahmen müssen für die Sichtfotos leistungsstarke Zusatzblitze mit einer hohen Leitzahl verwendet werden. Die eingebauten Kamerablitze reichen in Regelfall nicht aus.
 
  • Störfaktoren, Einschränkungen
Bei Regen, Schnee oder dichtem Nebel ist Außenthermografie nicht möglich.
Sonnenscheineinwirkungen, auch in vorangegangenen Stunden, auf Außenflächen verfälschen die Messergebnisse, mit allen Thermografiesystemen und darf nicht vorhanden sein. Eine Messung in den Morgenstunden vor Sonnenaufgang ist anzuraten, wenn durch die Großwetterlage nicht ständig bedeckter Himmel zu erwarten ist.

Untersuchungsprotokoll

Struktur, Inhalt und Umfang des Untersuchungsprotokolls hängt von den konkreten Aufgabenstellungen ab.

Bestandteile des Protokolles sollten sein:
 
  • Allgemeine Angaben, Aufgabenstellung, Objektbeschreibung, Klimadaten wie Innen- und Außentemperatur, Wind oder Sonneneinstrahlung, Zeitpunkt der Messungen, weitere Randbedingungen, Angaben über das verwendete Thermografiesystem, Normalbilder, Besonderheiten. Zur besseren Übersichtlichkeit sollten Infrarotbilder und Normalfotos miteinander kombiniert werden.
     
  • Auswertung der Thermogramme, Erläuterungen zu den jeweiligen Infrarot- Bildern, Bewertungen, Temperaturangaben, ggf. Flächenanteile, bei Wärmebrücken Vorschläge zu deren Beseitigung.
     
  • Schlussfolgerungen und Zusammenfassung bezogen auf die konkrete Aufgabenstellung.


Bundesverband für Angewandte Thermografie e.V. (VATh)


Der Bundesverband für Angewandte Thermografie e.V. (VATh) wurde unter Zusammenlegung der beiden deutschen Thermografieverbände VET und VdTh im Jahre 1999 als technisch- wissenschaftlicher unabhängiger Verband gegründet. Zielsetzung des VATh ist die Förderung der Thermografie, ihrer Anwendung, Weiterentwicklung und Erschließung neuer Anwendungsgebiete. Der VATh versteht sich als Forum für Erfahrungs- und Informationsaustausch, bei dem nationale und internationale Kontakte, z.B. bei Fachtagungen, gepflegt werden. Weitere Aufgabengebiete sind Beratung, Weiterbildung sowie Mitarbeit und Interessenvertretung in Gremien und Normenausschüssen.




Quelle: Verband Privater Bauherren (VPB) und Bundesverband für Angewandte Thermografie e.V. - VATh  |  Bildnachweis: Verband Privater Bauherren (VPB)