Studie: Bestandsersatz als Variante der energetischen Sanierung

News-Artikel vom 2010-07-11priority

Kann der Abriss und Neubau von Wohngebäuden an gleicher Stelle als Bestandsersatz eine sinnvolle Variante der Sanierung sein?
Diese Frage hat Prof. Dr.-Ing. Anton Maas von der Universität Kassel und Vostandsmitglied des Zentrums für Umweltbewusstes Bauen e.V. in einer Studie über den Bestandsersatz als Variante der energetischen Sanierung zu beantworten versucht. Die im Auftrag des Bundesverbandes Baustoffe, Steine Erden aufgestellte Studie benennt Einflussgrößen, nach denen Investoren beurteilen können, ob und wann der Bestandsersatz eine sinnvolle Variante der Sanierung darstellt. Die Kurzfassung der Studie „Bestandsersatz als Variante der energetischen Sanierung“  ist als Download erhältlich.

Die energetische Sanierung von Gebäuden leistet einen wichtigen Beitrag zur Minderung von Treibhausgasen und hat eine hohe Bedeutung für die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung. Zugleich erfordert das nachhaltige Bauen eine integrierte Betrachtung ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Aspekte, die unter anderem seniorengerechtes Wohnen und städtebauliche Aufwertung in sich vereint.

Vor diesem Hintergrund kann der Bestandsersatz, also der Abriss und Neubau von Wohngebäuden an gleicher Stelle, eine sinnvolle Variante der Sanierung sein. Dies gilt vor allem für Wohnungsbestände aus den 50er und 60er Jahren, die erhebliche strukturelle Defizite aufweisen. „Wichtig ist, dass Wahlfreiheit und Technologieoffenheit bei den Sanierungsmaßnahmen besteht“, sagte Prof. Dr.-Ing. Anton Maas von der Universität Kassel bei der Vorstellung der Studie Bestandsersatz als Variante der energetischen Sanierung. „Dazu gehört auch, dass der Bestandsersatz gleichberechtigt in die Struktur der KfW-Förderprogramme einbezogen wird“, erläuterte Maas.

Die Ergebnisse des Projekts wurden im Rahmen eines gemeinsamen Workshops des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) und des Bundesverbandes Baustoffe – Steine und Erden (BBS) in Berlin vorgestellt. Die Veranstaltung, bei der die Thematik aus wissenschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Sicht diskutiert wurde, ist Bestandteil der BDI-Initiative „Wirtschaft für Klimaschutz“.

Bestandsersatz sinnvollere Form der Bestandssanierung


Der größte Teil des bundesweiten Wohnungsbestands ist vor der Einführung der 1. Wärmeschutzverordnung erstellt worden und benötigt die überwiegende Menge der Heizenergie. Hinzu kommt, dass ein Teil der Nachkriegsbauten substanzielle Defizie aufweist.
Zurzeit werden jedoch lediglich die Umsetzung von Maßnahmen der Sanierung und Modernisierung durch  Förderprogramme finanziell unterstützen. Der Bestandsersatz als umfassendste Variante einer Voll- oder Komplettsanierung wird bislang nicht gefördert.

Die Analysen der in der Studie aufgeführten Einzelaspekte sowie Fallstudien zeigen, dass der Bestandsersatz – einhergehend mit dem Potenzial zur Verbesserung der demografischen, enegetischen, wirtschaftlichen und städtebaulichen Situation – oft die sinnvollere Form der Bestandssanierung ist.

  • Anspruchsvolle Energieeffizienzsteigerungen und Nutzung erneuerbarer Energien sind mit dem Bestandsersatz deutlich besser zu realisieren.
     
  • Bei einer Vielzahl von Wohn-und Stadtquartieren können mit dem Bestandsersatz Verbesserungen aus städtebaulicher Sicht erreicht werden.
     
  • Der Bestandsersatz bietet hinsichtlich der Anforderungen der Wohnraumgestaltung (z.B.  altersgerechten Wohnungen) höchste Flexibilität.


Steuerungsmöglichkeiten der öffentlichen Hand


Mit der Einbeziehung des Bestandsersatzes in die Förderstruktur sollte ein Anreiz geschaffen werden, um die o.g. Potenziale nutzen zu können. Dazu notwendig ist eine Wahlfreiheit und Technologieoffenheit zwischen allen Formen der Sanierung (einschließlich des Bestandsersatzes) bei den Steuerungsmöglichkeiten der öffentlichen Hand, insbesondere bei der Vergabe zinsgünstiger Kredite über die KfW. Die erforderlichen Steuerungsmöglichkeiten der Bundesregierung sind dahingehend ebenfalls zu prüfen.


Einflusgrößen zur Entscheidungsfindung


Bei der Frage nach dem Grad des Sanierungsumfangs und ob für ein konkretes Vorhaben ein Bestandsersatz in Betracht kommt, benötigt der Eigentümer/Investor Hilfestellungen zur Entscheidungsfindung. Hier bei gilt es, umfangreiche Kriterien wie Wirtschaftlichkeit, baurechtliche sowie bauphysikalische, baukonstruktive und energetische Aspekte zu berücksichtigen. In der vorliegenden Kurzstudie werden Vorschläge zur Einbeziehung des Bestandsersatzes in Förderprogramme sowie Ansätze zur Entscheidungsfindung orgestellt, die auch als Grundlage weiterer Forschung dienen.

I. Ist eine Sanierung des Gebäudes sinnvoll und notwendig?

  • Wie ist die Gebäudequalität zu bewerten
  • Wie ist die Standortqualität des Gebäudes zu bewerten
  • Wie ist die Nachfrage auf dem lokalen Wohnungsmarkt einzuschätzen
  • Kann der vorhandene Wohnungsbestand die Nachfrage decken?
  • Wie ist die Aktivierungsfähigkeit der Mieter einzuschätzen? Besteht die Möglichkeit zur  Mietereinbindung?

II. Bestehen Aspekte, die zwingend den Bestandserhalt fordern?

  • Denkmalschutz
  • Belegungsbindung
  • Kreditbelastung
  • Sind genehmigungsrechtliche Schwierigkeiten für Neubauten und/oder Abrissmaßnahmen bekannt?

III. Auswahl der Sanierungsvarianten

  • Belastung des Gebäudes mit schadstoffhaltigen Baustoffen wie Asbest
  • Technischer Zustand des Gebäudes als Ergebnis der Bewertung einzelner  Komponenten / Bauteile / Bereiche
  • Lebenszyklusweite Kostenberechnung der Sanierungsvarianten inkl. Finanzierung
  • Ist ein (verbesserter) Neubaustandard durch kosteneffiziene Umrüstung erreichbar? 
  • Entspricht der Bestandsbau den normativen, gesetzlichen oder städtebaulichen  Vorgaben bzw. Anforderungen eines Neubaustandards:
    • Wärmeschutz |Feuchteschutz | Schallschutz | Brandschutz
  • Einsatzmöglichkeit technischer Systeme, die den Wohnkomfort steigern (z.B. Lüftungsanlagen oder Flächenheizungen)
  • Altersgerechtigkeit (Barrierefreiheit / Barrierearmut)


Quelle: Bundesverband Baustoffe - Steine und Erden e.V.